Umberto Tozzi: Ein Abend wie eine Heimfahrt aus dem Urlaub
Düsseldorf (kle) Achtung, Spoiler. Das ist ein Text reich an Begriffen aus den Bereichen der Melancholie, des Dahinschmelzens, aber auch der italienischen Topografie und Küche. Doch von Beginn: Die Mitsubishi Electric Halle kündigte seinen Auftritt mit den Worten „Freuen Sie sich auf einen Abend voller emotionaler Evergreens“ an. Denn kein Geringerer als der italienische Pop-Rock-Musiker Umberto Tozzi, international bekannt geworden durch Lieder wie „Ti amo“, „Tu“ oder „Gloria“, gastierte gestern vor rund 2000 Zuschauern im Rahmen seiner „L’ultima notte rosa“-Tour in Düsseldorf-Oberbilk.
Und während draußen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt und dichtem Nebel noch die letzten Gäste in das Foyer der Halle rennen, präsentieren sich innen bereits Tozzis Musiker mit einem dynamisch klingenden Instrumental-Intro. Die kraftvollen Streicher drücken den 72-Jährigen regelrecht auf die Bühne. Gelassen, gut gelaunt und mit einem frechen „Juchhu!“ und „Buonasera“ betritt der gebürtige Turiner also die Bühne; sein schnittig-schwarzer Anzug mit leichtem Glitzeranstrich, die Sonnenbrille und seine Fender-E-Gitarre lassen Tozzi jung geblieben erscheinen. Die erste Nummer „Notte rosa“ rockt. Der Sound ist durchdringender als vermutet. Kurz darauf schon, man wundert sich ein bisschen, packt einer der erfolgreichsten Italo-Popper der letzten 50 Jahre mitunter seine wahrscheinlich bekannteste Nummer aus: „Ti amo“. Und wer denkt, diese Inkarnation einer Ballade sei einfach nur ein schnödes Liebeslied, täuscht sich gewaltig. Richtet sich der Protagonist doch gleich an zwei Frauen, denn: Aus beruflichen Gründen führt er eine Wochenendehe, und bevor er die Heimfahrt antritt, macht er seiner Geliebten eine Art Liebeserklärung, in der zugibt, zwischen ihr und seiner Ehefrau hin- und hergerissen zu sein. Zu Hause angekommen, wird ihm bewusst, wie sehr er seine Ehefrau vermisst hat, und er bittet sie um Verzeihung für seine Untreue. Was für ein zeitlos-moderner Dramastoff, umgarnt von feinster unschuldig daherkommender Schnulzen-Dudelei. Raffinierter geht’s nimmer. Die Zweitausend weinen im Chor „Ti amo / Un soldo, ti amo“. Oh Gott, ist das herzzerreißend.
Doch zurück zur Musik. Grundsätzlich schaffen es die Rhythmik, Melodien und Arrangements der Monoton-Nummern, verzerrte Bilder zahlreicher Italienurlaube in die Köpfe der Zuhörer zu meißeln. Vielleicht in etwa so: Sie verliebte sich ein bisschen in den Tennislehrer, er in die Kinderanimateurin, das eigene Kind: Man sah es kaum. War es doch selbst zu beschäftigt mit dem Vorhaben seines ersten Kusses. Für drei Wochen. Irgendwo zwischen Portofino und Camogli. Danach ging’s wieder Heim. Mit Songs wie „Gli innamorati“ oder „Immensamente“ in Dauerschleife aus den Boxen eines Citroën GS. Zumindest bis kurz vor dem Brenner. Das Konzert, es plätschert daher nicht nur einfach so dahin, es ist vielmehr wie eine verstrahlte Urlaubsrückfahrt, sozusagen ein Nachhausekommen, zum Beispiel ins spießig-nasskalte Sauerland.
Spätestens bei „stella stai“ tanzen die meisten der angereisten Fans auf ihren Plätzen und Rängen wie Blubberbläschen in einem frisch eingegossenen Villa Sandi Il Fresco Prosecco um die Wette. Aperol Spritz aus Plastikbechern tropft wie wild auf den guten Parkettboden der Halle. Wie feinherbe Zuckerwatte kleben sich Tozzis Lieder um die Fans. Jeder umschlingt jeden. Es geht zu wie in einer besäuselten Trattoria weit nach Ladenschluss. „Dan / dabadan, dabadan / Babadan, bam, bam, bam, bam“. Herrlich.