Tool spielen ihre Fans in Trance

Köln (kle) Die Progressive Rockband Tool, das sind: Gitarrist Adam Jones, Bassist Justin Chancellor, Schlagzeuger Danny Carey und Sänger Maynard James Keenan. Eben der antwortete einst 1994 in einem Interview auf die Frage, welche Bedeutung denn eigentlich dem Bandnamen zukäme, so: „Tool ist genau das, wonach es sich anhört: Es ist ein großer Schwanz. Es ist ein Schraubenschlüssel, ein aktiver Prozess der Suche, im Sinne von: benutze uns, wir sind dein Werkzeug.“ Fragt sich nur, wer denn dieses musikalische Werkzeug benutzt, wie genau man sich die Fans von Tool vorstellen kann? Ganz klar: unglaublich sympathisch und im Stil ein bisschen wie Hamburger Schule-Hörer auf Heavy Metal getrimmt. Natürlich überwiegend dunkel gekleidet.

Der Rahmen ist damit gesteckt. Einigermaßen. Dass die vier Grammy-Gewinner und alten Art Rock-Hasen – unter anderem diesem Genre werden sie von ihren eingefleischten Anhängern zugeordnet – sich momentan auf ihrer Europatournee befinden und gestern Abend einen Stopp in der Kölner Lanxess-Arena vor rund 14.000 Zuschauern einlegten, sei nur am Rande erwähnt. Also, let’s rock, let’s headbang! Moment: Mit bestuhlten Reihen im Innenraum der Halle?

Bevor diese Frage jedoch zu viel Raum einnimmt, verfinstert sich zu einem schaurigen Herzschlag-Beat die Bühne, Adam und Justin schnallen sich ihre Saiteninstrumente um, Danny rückt seinen Schlagzeugsessel noch einmal zurecht. Dabei wirken sie wie drei Musikhochschul-Absolventen, die ihre Abschlussarbeit präsentieren wollen. Auf der Leinwand hinter ihnen türmen und verschachteln sich psychedelische Muster auf- und ineinander. Dazu: Ganz schön verzwickte Rhythmen – irgendwas zwischen 12/8- und 6/8-Takt – ein fürchterlich brutal pulsierender E-Bass, von dem man nicht so recht weiß, ob er nur dieser oder gleichzeitig auch Synthesizer, Jagdhorn, gar Bratsche ist, und Keenans Stimme, die klingt, als träfen sich Weltschmerz, Depression und Integrität auf ein Bierchen irgendwo zwischen Zwerchfell und Stimmbändern. „Tempted the devil with my song“, singt er. Dass der introvertierte Frontmann aus Los Angeles bei all dem völlig im Dunkeln auf einer kleinen erhöhten Seitenbühne im Schatten seiner drei Mitmusiker steht, ist für Tool-Neulinge mehr als ungewöhnlich, aber für seine Fans nichts Neues. Singt Keenan bei Live-Shows doch fast immer seitwärts oder mit dem Rücken zum Publikum und bewegt sich dazu manchmal in einer Art Ausdruckstanz.

Ein großer Redenschwinger ist der 60-Jährige nicht. Seine Fans wissen auch das und erwarten daher keine politischen oder tiefgründigen Ansprachen von ihm. Nur eins ist Keenan wichtig zu betonen: „Bitte steckt eure Handys in die Hosentaschen“, grummelt er ins Mikro. Die Band wolle, sie dulde das nicht. Ja, sie verbietet es. Einige Zuschauer werden schon kurze Zeit später vom Sicherheitspersonal freundlich, aber bestimmt nach draußen begleitet und des Konzertes verwiesen. Sie haben ihr Handy trotz Warnung benutzt. Martin, ein Fan, sagt: „Sie waren wohl noch nie auf einem Tool-Konzert. Da muss man meditieren, nicht daddeln!“ Und in der Tat, man gleitet förmlich hinein in die Welt von Tool. Das Publikum wirkt wie paralysiert, es hält ehrfürchtig den Atem an, wenn feine Laserstrahlen die Arena durchzucken und die düsteren Gitarren-Riffs dazu das Lied der Dystopie spielen. Die Leinwand-Einspieler besitzen die Kraft eines gigantisch visuellen Magneten. Das liegt nicht allein an den teils abstrakt-mystischen und abstrusen Stop-Motion-Videos – mal enthäutete Gesichter, mal glitschige Alien-Köpfe, mal ein Feuerauge à la Mordor aus Herr der Ringe -, es sind vor allem die extrem miteinander verschränkten Songpassagen samt deren nur schwer zu begreifenden Soundteppichen, die einen sprachlos dasitzen lassen. Die Stühle, jetzt machen sie Sinn. Welche Bedeutung allerdings der überdimensional große Hexagramm-Stern haben soll, der während der gesamten Show über der Bühne hängt, bleibt ungeklärt und fällt heute Abend wahrscheinlich in den Bereich des aktiven Suchprozesses.


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