Mike and the Mechanics spielen ganz schön viele Hits

Düsseldorf (kle) Eine knackige Zusammenfassung des gestrigen Abends in der Mitsubishi Electric Halle könnte so oder so ähnlich lauten: Den Namen der Band Mike and the Mechanics, den hat man schon einmal gehört. Irgendwann. Irgendwo. Vielleicht. Zu den Songs und Melodien der Band hat man schon einmal getanzt. Irgendwann. Irgendwo. Ganz bestimmt. Denn die Band von Genesis-Gitarrist Mike Rutherford hatte ganz schön viele Hits. Früher.

Diese Erkenntnis konnte während des Auftritts der Briten vor etwa 3.000 Zuschauern in einem wachsen. Zunächst allerdings nur zaghaft. Denn verhaltener Applaus begleitet die sechsköpfige Truppe um Rutherford, als sie zu zusammenhanglosem Piano-Geklimper schüchtern wie eine Abiband aus längst vergangenen Tagen im Schatten des Bühnen-Hintergrunds - der Skyline-Silhouette einer Großstadt – auf die Bühne trabt. „Get Up“, ihr erster Song, hat etwas von einer Abspann-Nummer irgendeines 80er-Jahre Highschool B-Movies: ganz nett anzuhören also. Andrew Roachford und Tim Howar, die beiden Sänger der Band, legen von Sekunde eins an alles in die Waagschale. Vor allem Howar, der in seiner zerknirschten Jeans und blauen Weste ein bisschen wie ein Versicherungs-Vertreter aussieht, hüpft engagiert von einer Seite zur anderen. Ja, das Publikum würdigt das. Und ja, die Band beherrscht ihr Handwerk. Das ist eine Floskel, aber hier passt sie.

Rutherford selbst wirkt wie die personifizierte Entspannung, wenn er seine Bassläufe aus dem Effeff spielt, zu seinen Fans freudig auf Deutsch „Guten Abend, es ist schön hier zu sein. Wir sind aufgetankt!“ sagt, damit natürlich auf den Namen der Tour – „Refueled“-Tour – anspielt und anschließend die ersten Takte von „Another Cup of Coffee“ anzählt. Den Song, den kennt man, na klar. Rauf und runter lief der Mitte der 1990er-Jahre im Radio. Damals, als die Bravo-Hits Einzug in jeden Kassen-Rekorder hielten und man als Pubertierender noch dieses eine Hobby hatte: Musikvideos auf MTV schauen. Stundenlang.

Die Atmosphäre während dieser Phase des Konzerts ist in etwa so: Die Zuschauer sitzen in sich ruhend, konzentriert und leicht kopfnickend auf ihren Plätzen, und die Band, ja, die spielt. Die spielt in sich ruhend, konzentriert und leicht kopfnickend. Eine heroisch-harmonische Hook hier und da, dazu eine Gesangsmelodie, die einmal durchs Glätteisen spaziert und ein paar selbstverliebte Drum-Fills: Fertig ist der typisch dudelige Popsong von Mike an the Mechanics. Mag man meinen. Aber so einfach verhält es sich nicht. In „The Living Years“ beispielsweise besingt das lyrische Ich – ein junger Mann - die ungelösten Konflikte, die er mit seinem Vater zu dessen Lebzeiten hatte. Einer der besten Texte in der Popgeschichte sei das, meinte einst der Komponist Burt Bacherach. Und auch hier: Den Song, den kennt man. Eine Kulthymne aus dem Jahr 1988, die auf keiner 80er-Party fehlt, auf dieser wahrscheinlich aber immer viel zu früh läuft. Gefühlt ein klassischer Hit aus der zweiten Reihe.

Der Rest: Mike and the Mechanics geben den ein oder anderen Genesis-Hit zum Besten. Wen wundert’s, ist Rutherford doch Gründungsmitglied der Pop-Legenden und stammen Songs wie „Invisible Touch“, „Jesus He Knows Me“ oder „I Can’t Dance“ aus seiner Feder. Natürlich ist Phil Collins nicht einfach zu singen und schon gar nicht zu ersetzen. Das wissen Roachford und Howar. Doch insgesamt ist ihr Cover-Begehren in Ordnung, Rutherford scheint den beiden mit seiner puren Anwesenheit und immensen Gelassenheit Auftrieb zu geben. Am Ende passt kein Blatt Papier mehr zwischen Fans und Bühnenrand. Die Stühle, die können einpacken. Denn es wird getanzt zu „All I Need Is a Miracle“ und „Over My Shoulder“. Mensch. Mike and the Mechanics hatten ganz schön viele Hits. Früher.          


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