James Blunt und der Pakt mit der Gänsehaut

Köln (kle) Als etwa eine Viertelstunde vor Beginn des Auftritts von James Hillier Blount alias James Blunt in der Kölner Lanxess-Arena das Lied „You Don’t Mess Around With Jim“ von Jim Croce aus den Lautsprechern ertönt, wippen die Allermeisten in ehrlicher Vorfreude mit ihren Beinen. Die Wenigsten allerdings der etwa 10.000 Zuschauer ahnen zu diesem Zeitpunkt, dass es gut gewesen sein würde, diesen Abend miterlebt zu haben. So richtig gut.

Dabei fängt das Konzert des britischen Singer-Songwriters und Wahl-Ibizenkers, der mit der Nummer „You’re so Beautiful“ 2005 seinen internationalen Durchbruch erlangte und im selben Jahr auch gleich mal einen MTV Europe Music Award und zwei Brit Awards einheimste, echt schlecht an. Einigen Fans bleibt das Popcorn im Halse stecken. Denn: Die Vorab-Single seines im Oktober neu erscheinenden Albums, die den Titel „Beside You“ trägt, sprengt jegliche Vorstellungskraft in Sachen eines misslungenen Arrangements. Das Wort Cheesy trifft es nicht wirklich, weil ein Käse – oder hier: eine Komposition - gar nicht so viele Löcher haben kann. Nach drei Minuten ist diese musikalische Verirrung vorbei. Besser wird es danach, weil die Grundidee der Show die ist: Blunt steht oben auf der Bühne mit seiner Gitarre, hinter ihm steht seine Band, dahinter wiederum hängt eine Leinwand, deren Längenausmaß ziemlich beachtlich ist. Auf ihr laufen dann Einspieler, die sich größtenteils thematisch an die Textinhalte der Lieder anlehnen. Bei „Saving A Life“ beispielsweise ist es eine aufgepeitschte Hochsee, die zu sehen ist, während Blunt „I'm saving a life, but you don't care“ singt. Im Grunde also nichts wirklich Neues. Aber: Es hat eine beruhigende Wirkung auf die Zuschauer, die da „And I'll carry you home / I'll carry you home“ mitschluchzen. Das berührt. Spätestens jedoch bei „Goodbye My Lover“ wird einem klar, wie das funktioniert: Da gibt es diese eine herzschmerz-zerreißende und Melancholie triefende Hook, einen lockeren Kerl in Jeans, T-Shirt und Sneakers, der in der Lage ist, ontologisch-esoterische Themen mal mehr, mal weniger textlich auf das Wesentliche zu reduzieren: fertig.

Blunts Musik schafft es, sich seinem eigenen nebulöse Gedanken-Wirrwarr hinzugeben, um am Ende des Abends seiner Freundin oder seinem Freund vielleicht doch noch einen Heiratsantrag zu machen oder sich einfach mal wieder zu melden. Bei Mama oder Papa. Die Frage bleibt: Wie, wo und wann kreiert der einstige Offizier der Life Guards Melodien dieser Dichte, die einem sanft und beinahe unbemerkt die obersten dünnen Hautschichten des Herzmuskels abschaben? Blunts Stimme jedenfalls macht Herzschrittmacher und Bypässe heute Nacht überflüssig. „We had it all and then we lost / The girl that never was“. Kollektiver Kloß im Hals. James Blunt und die Gänsehaut scheinen eine Art Pakt miteinander geschlossen zu haben. „Wie gut, dass ich heute Abend hier bin“. Niemand sagt das. Denken werden es viele.


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